Es war im Oktober 2003: Joachim Erwin sprach ganz leise, als er das erste Mal von seinem Darmkrebs berichtete

Mai 20, 2008 by  

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Im Auftrag eines Darmkrebs-Test-Herstellers organisierten wir 2003 eine einwöchige Aktion unter dem Titel „Düsseldorf gegen Darmkrebs“. Oberbürgermeister Joachim Erwin übernahm spontan die Schirmherrschaft.

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Die Apotheken der Aporegio-Gemeinschaft in Düsseldorf machten mit, es gab einen Aktionsbus, die Unterstützung von Dr. Christa Maar (Felix Burda-Stiftung) und auch Ärzte wie Prof. Gabriela Möslein-Wagner, Prof. Hans-Ulrich Klör, Dr. Dirk Türbergen wirkten mit an der Aufrüttel-Aktion zu mehr Darmkrebsvorsorge. OB Erwin sagte auf dem Plakat: „Ich will, dass Sie gesund bleiben: Sorgen Sie vor!“

Die Rheinische Post war Medienpartner und Redakteurin Birgit Wanninger führte feinfühlig das Interview mit Joachim Erwin im Beisein von Dr. Christa Maar im Konferenzraum der RP-Redaktion. Mit leiser Stimme erzählte der OB, wie sich der Darmkrebs bei ihm bemerkbar gemacht hatte: Ein scharfer Schmerz im Bauchraum, am 2. Mai, kurz  vor dem Marathonlauf, vor dem er sich nicht drücken wollte.

Kurz darauf im Aktionsbus „Düsseldorf gegen Darmkrebs“: Die Düsseldorfer Journalisten umlagern ihn, als er erneut über seine Krankheit spricht. Es war so leise, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören.

Es war typisch für Joachim Erwin, dass er mit seiner Erkrankung so offensiv umging.

Joachim Erwin war ein Problemlöser, ein Macher, als Oberbürgermeister war er ein Topmanager: nicht bräsig im Rathaussessel sondern weltweit unterwegs – USA, China, Japan, Russland. Kontakte machen für Düsseldorf, für die Stadt arbeiten, die er liebte und die er wie einen Konzern lenkte.

Düsseldorfs Schuldenfreiheit ist ihm zu verdanken, der Bau der LTU-Arena und der Arkaden, die hohen Investitionen in Schulen und andere kommunale Einrichtungen und mehr. Erwin erhöhte die Lebensqualität der Stadt Düsseldorf deutlich, zuletzt mit der Blumen-Initiative Entente Florale, die Düsseldorf gleich aufs Siegertreppchen hob.

Joachim Erwin war ein zupackender OB von zeitgemäßem Zuschnitt, er legte die Latte für seine Kolleginnen und Kollegen hoch. Er war gewöhnungsbedürftig und in seinem Charme eher rustikal, oft ruppig, doch das sei ihm gerne verziehen. Kölns OB Fritz Schramma rief er per Fernsehen zu: „Der Fritz Schramma könnte sich weiter um den FC kümmern und den Karneval – und ich saniere die Stadt.“ So war er. Wir werden ihn vermissen.

Hier geht’s zur offiziellen Würdigung auf der Website der Stadt Düsseldorf, hier der link zum ersten Artikel heute Morgen.

Kommentare

One Response to “Es war im Oktober 2003: Joachim Erwin sprach ganz leise, als er das erste Mal von seinem Darmkrebs berichtete”

  1. M. Koch on Mai 21st, 2008 11:04

    Eine Würdigung des Politikers Erwin fällt leicht, eine Würdigung des Menschen Erwin dagegen weniger. In Düsseldorf war Erwin seit 1999 der erste OB, welcher nach Änderung der Gemeindeordnung das Amt der so genannten Doppelspitze bekleidete. Er war oberster Repräsentant und zugleich Chef der Stadtverwaltung. Wie Erwin letztlich diese Doppelfunktion ausfüllte, lässt der einleitende Satz des Rheinische Post-Artikels von heute erahnen: „Die Gesetzesmacher in der NRW-Landespolitik dachten 1994 gewiss nicht an den einfachen Ratsherren Joachim Erwin, als sie die Kommunalverfassung änderten.“

    So wirbelte Erwin nach seinen Vorstellungen in der Verwaltung, nahm machtbewusst seinen Einfluss in den Aufsichtsräten der städtischen Tochterunternehmen wahr und kann sicher als tatkräftiger „Vorstandsvorsitzender der Düsseldorf AG“ beschrieben werden.

    Als Düsseldorfer habe ich große Veränderungen im Kleinen wie im Großen in meiner Stadt unter der Führung von Erwin registriert. Es wird gegen Zweite-Reihe-Parker konsequent vorgegangen, der Kommunale Ordnungsdienst wurde quasi zur Stadtpolizei ausgebaut und sorgt nun für Ordnung in Parks und auf den Straßen, viele Schulen und Sporthallen wurden saniert, Großprojekte wurden angeschoben und umgesetzt (LTU-Arena, Messe- und Flughafen-Ausbau) und auch in den Amtsstuben ist jetzt Tempo angesagt (siehe letzten Blog-Eintrag „Amt online“). Die Stadt ist schuldenfrei und besitzt trotzdem noch ausreichend „Tafelsilber“ in Form von Unternehmensbeteiligungen und Grundstückswerten.

    Es ging also sichtbar voran in Düsseldorf in den letzten Jahren. So, wie es eben vorangeht, wenn ein Vorstandsvorsitzender wenig diskutiert und viel über seinen Schreibtisch direkt abwickelt.

    Ist an dieser Stelle, zu dieser Stunde Kritik angebracht? Oder wäre dies im Angesicht des frisches Todes unwürdig? Sicher nicht, wenn es um Joachim Erwin geht. Denn Heucheln war seine Sache nie. Die Breitseite kommt entsprechend klar, so wie Erwin es selbst „geliebt“ hätte.

    Geärgert habe ich mich etwa in den letzten Jahren über die Art und Weise, wie Düsseldorf durch Erwin repräsentiert wurde. Düsseldorf wurde genau so repräsentiert, wie es vielen Klischees entspricht, wie wohl die meisten Düsseldorfer aber nicht porträtiert werden wollen – mit einem gehörigen Maß an Großmannssucht, gepaart mit von oben herab formulierten, protokollarisch nicht immer einwandfreien, teils sehr beleidigenden Worten.

    Hatte das der „Macher“ Erwin nötig? Erwin wird als tatkräftiger und streitbarer Oberbürgermeister in die städtischen Analen eingehen. Sein politisches, gestalterisches Vermächtnis wird noch lange nachwirken und sichtbar bleiben. Über den Rest wird sich milde schweigend der Mantel der Geschichte legen.