Beteiligungs-Fiasko bei den Stadtwerken Neuss: Wie Tricksereien eine sinnvolle Kooperation torpedierten

Mai 19, 2009 by  

Herbert Napp, Heinz Runde: Präferenz RWE? – Kritiker Gerhard Quentin (rechts) spricht von einem Skandal

„Stadtwerke gezielt ausgebootet?“ fragt die Rheinische Post heute. Die Frage kann man bejahen. Die Stadtwerke Düsseldorf AG wollten sich mit 24,9 % an den Stadtwerken Neuss beteiligen – eine Kooperation, die Sinn gemacht hätte. So wollten etwa die Düsseldorfer dem Neusser Wunschpartner Assets wie ihr linksrheinisches Stromnetz zur Verfügung stellen.

Die Verhandlungen, so ein Neusser Insider, liefen bestens. Bis am Montag letzter Woche die Neusser überraschend eine Giftpille in den Kooperationspudding mischten. Plötzlich brachte Heinz Runde, Geschäftsführer der Stadtwerke Neuss, die Forderung auf den Tisch, die Stadtwerke Düsseldorf sollten einen so genannten Stimmbindungsvertrag der Neusser Stadtwerke mit der Thüga, einer Tochter des E.ON-Konzerns, akzeptieren. Die Thüga, obwohl nur mit mageren 15 % an den Stadtwerken Neuss beteiligt, hätte somit theoretisch alle ihr (und dem E.ON-Konzern) nicht genehmen Entscheidungen torpedieren können. Diese Entscheidung, wissen Teilnehmer, wurde als nicht verhandelbar klassifiziert.

Da bereits am Mittwoch die Muttergesellschaft der Stadtwerke, die EnBW AG, in einer Aufsichtsratssitzung über den Anteilserwerb entscheiden mußte, entschieden sich die Stadtwerke Düsseldorf am Dienstagabend folgerichtig, die Rolle eines Juniorpartners ohne Handlungsspielraum nicht zu übernehmen. Am Donnerstag wurde diese Entscheidung dem verantwortlichen Verhandlungsführer der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche mitgeteilt. Tags darauf meldeten die NGZ sowie die Rheinische Post den Rückzug der Düsseldorfer.

Was dann folgte, erinnert an eine Schmierenkomödie. Obwohl die Absage offiziell übermittelt wurde, verbreitete Heinz Welter, Moderator der interfraktionellen Arbeitsgruppe des Neusser Stadtrats am gleichen Tag (Freitag, 15. Mai, 09:57 Uhr), die Arbeitsgruppe sei „bislang nicht durch die Stadtwerke Düsseldorf AG über einen möglichen Ausstieg der SWD aus dem Bieterverfahren informiert worden.“ Auch der Transaktionsberater (Redaktion: Deloittte & Touche) sowie die Geschäftsführung der Stadtwerke Neuss seien von Düsseldorfer Seite „nicht informiert worden.“

Eine klare Falschaussage, die noch mit der Sottise angereichert wurde, man sehe eine Verbindung zur 2008 angestrebten Beteiligung der Stadtwerke Düsseldorf  an den Stadtwerken Wuppertal: „Auch damals haben sich die SWD kurz vor Abgabe des endgültigen Angebotes aus dem gewählten Verfahren zurückgezogen.“

Soll wohl heißen: Die Stadtwerke Düsseldorf sind ein durch und durch unzuverlässiger Verhandlungspartner.

Aufgeschreckt von der Presseinformation mailte daraufhin Verhandlungsführer Ulrich Harnacke von Deloitte & Touche (Freitag, 15. Mai, 11:04 Uhr) ins Linksrheinische: „Bitte so nicht weitergeben, wir haben gestern ein Fax von SWD erhalten.“ Mit weiterer Email um 11.40 Uhr präzisierte Harnacke den Neussern:

„Der Vorstand der SWD hat uns (am Vortag) um 15:31 Uhr per Fax über den Ausstieg informiert. Augrund der zu diesem Zeitpunkt noch andauernden Verhandlungsrunde mit einem anderen Bieter haben wir dieses Fax erst abends vorgefunden und heute um 9:48 an Herrn Welter und die Geschäftsführung der SWN weitergeleitet.“

Dies heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass der Ex-Sparkassenchef Welter wider besseres Wissen nach Empfang der Information vom Vortag, der Presse mit Falschinformationen einen Bären aufbinden wollte.

Doch Welter setzte noch eins drauf. Um 11:53 Uhr verbreitete er die Presseinformation erneut, wonach die Arbeitsgruppe des Neusser Rates und die Geschäftsführung nicht informiert worden seien und entfernte lediglich den Passus, wonach auch der unabhängige Transaktionsberater von den Stadtwerken Düsseldorf keine entsprechende Information erhalten habe. Weiter fabulierte Welter: „Entsprechende Informationen haben wir bislang nur aus den heutigen Presseveröffentlichungen enthalten.“

Der unabhängige Neusser Ratsherr Gerhard Quentin, heute auch in der RP zitiert, zum Düsseldorf Blog: „Es ist skandalös. Man kann nicht im letzten Moment der Vertragsverhandlungen die Bedingungen so entscheidend ändern. Nicht nur die Stadtwerke Düsseldorf sondern auch die Rheinenergie waren wie vor den Kopf gestoßen.“

Quentin findet es auch höchst merkwürdig, weshalb Stadtwerke-Chef Heinz Runde plötzlich bei der entscheidenden Sitzung mit am Tisch saß. Seine Erklärung: „Bürgermeister Herbert Napp und Runde steuern stur auf eine Beteiligung der RWE zu. Das wundert ja auch nicht, denn Napp sitzt ja im Regionalbeirat der RWE und kassiert dafür jährlich 6.600 Euro für zweimaliges Kaffeetrinken mit Kuchen.“

Mit dem Ausbooten der Stadtwerke Düsseldorf vergibt die linksrheinische Klüngelrunde eine offensichtliche Chance. Düsseldorf und Neuss hätten gemeinsam ein ertragreiches Synergiepotenzial, etwa bei Wartung, Nutzung  und Steuerung der Netze. So hätte ein starker regionaler Verbund entstehen können.“

Für Heinz Welter und Heinz Runde ist die dilettantische Pokerrunde somit zu Ungunsten der Stromverbraucher am Niederrhein gescheitert.

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