Die Marketing-Club Düsseldorf- und NRW-Forum-Diskussion um die Zukunft der Mode in Düsseldorf geht weiter: Heute sagt Berater Stefano Sorice: Think big!

Juli 19, 2010 by  

Von Stefano Sorice*

Berlin ist nicht Düsseldorf und Düsseldorf wird nie Berlin. Es gibt kein Argument, das in Verbindung mit der Frage nach der Zukunft des Modestandortes Düsseldorf noch nicht genannt wurde. Aber mit jedem Mal, da die Mode sich ein halbes Jahr weiter entwickelt, wird deutlich, dass Berlin eine Entwicklung nimmt, die andere Modestandorte in Deutschland an den Rand der Überflüssigkeit treibt.

Was diesmal in Berlin los war, ist ohne Beispiel. Und das alte Argument, dort würde eben „Party gemacht“, aber kein Geld verdient, kann in seiner alten Schlichtheit nicht mehr gelten. Es sind mehr als nur ein paar Hände voll Einkäufern, die gegen den Alleinvertretungsanspruch der Partygänger in Berlin ankämpfen und das Angenehme – also das Feiern – mit dem Notwendigen – dem Business – verbinden. Natürlich ist der Berliner Termin nicht optimal fürs Geschäft. Aber stellen Sie sich mal vor, er wäre oder würde es!

Wir wollen Düsseldorf nicht schlechter machen, als es ist. Die Zahl der in Düsseldorf gebotenen Showrooms zeigt, dass der Standort für sich eine Zukunft sieht, weil die Showroombetreiber eben hier die Zukunft sehen. Tatsächlich ist auch die Entscheidung zum Bau der Halle 30 ein starkes Signal pro Düsseldorf. Doch es reicht nicht. Die Feststellung, „Da ist Potenzial“, reicht nicht aus. Das Potenzial, wenn es denn da ist, muss aktiviert werden.

Der Ruf nach mehr und neuem Glamour für Düsseldorf  ist natürlich der Ruf nach dem Einsatz auch öffentlichen Geldes. Aber er kommt zu früh. Zuerst muss eine Strategie entwickelt werden, die das Düsseldorf-Ziel, also den gewollten Stand Düsseldorfs innerhalb der internationalen Modewelt, beschreibt. Wenn in dieser Strategie „Glamour“ ein wichtiges Element sein sollte – dann darf nach Glamour gerufen werden. Dann aber laut und deutlich. Derzeitige Glamour-Anforderungen sind nichts anderes, als der Verzicht auf die Entwicklung einer belastbaren Strategie. Glamour fällt jedem immer und sofort ein, wenn es um Luxus und Mode geht. Aber ob es um Luxus und Mode gehen soll oder um Mode und Lebensstile oder worum sonst – das ist zu klären.

Geld in die Hand nehmen

Standort-Politik muss – zumindest auch – von der Politik gemacht werden, nicht nur von der Wirtschaft. Und Standort-Politik ist eine Politik, die gute  Standorte besser macht und ehemals gute wieder gut werden lässt. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen. Das war noch nie Düsseldorfs Sache. Zuerst war es nicht nötig, dann hatte man keins und jetzt ist man wohl aus der Übung. (Ja, Düsseldorf ist an der Finanzierung von Fashion Net Düsseldorf beteiligt, aber das sind – Entschuldigung – Peanuts.)

Wenn es in Berlin Klaus Wowereit gelingt, ganz tief  in eine Schatulle zu greifen, in der schon lange kein Geld mehr sein kann und er trotzdem Geld heraus zaubert, dann sollte das schuldenfreie Düsseldorf im Stande sein, Programme, Strategien, Möglichkeiten entwickeln zu lassen und diese in entscheidenden Teilen zu finanzieren.  Und sage mir niemand, Düsseldorf sei stolz darauf, seine Mode-Geschichte ohne öffentliche Gelder geschrieben zu haben. Ja, früher. Aber jetzt wird auch die Mode-Geschichte eben mit öffentlichem Geld geschrieben.

Und sage auch niemand, Düsseldorf dürfe schließlich nicht das Gleiche tun, was Berlin bietet. Natürlich nicht. Das darf nicht sein und das muss auch nicht sein. Die Kreativität ist doch nicht nach Berlin ausgewandert. Und sage bitte auch niemand, mit der Gründung von Fashion Net Düsseldorf und der Ausrufung der Voices of Fashion habe man eine Plattform geschaffen, deren Wirkung sich allerdings erst im Laufe der nächsten Zeit entfalten werde, dass man also in erster Linie Zeit brauche. Gebraucht wird eine aufmerksamkeitsstarke Aktivität, die unzweifelhaft mit dem Standort Düsseldorf und der hier zu zeigenden Mode in Verbindung gebracht wird. Großes Kino statt Fashion-Kleinkunst. Nicht kleckern – klotzen.

Es kann ja sein, dass nach der kommenden Düsseldorf-Veranstaltung höflicher Applaus von allen Beteiligten und sogar von der nationalen und internationalen Presse kommt. Kann sein. Aber was hilft das? Das zeigt dann nur, dass man sich mit dem Düsseldorfer Klein-Klein arrangiert hat , dass man nicht mehr erwartet und dass man (also die Öffentlichkeit) hofft, damit noch eine Zeitlang durchzuhalten.

Düsseldorf-Kritik ist Notwehr

Mein Appell: Glauben Sie niemandem, der sagt, Düsseldorf könne mit kleinen Schritten an die Spitze der Fashion-Bewegung gelangen  oder wenigstens ein weiteres Zurückfallen verhindern. Das haben wir, die wir Düsseldorf-minded sind, viel zu lange geglaubt oder gehofft. Und glauben Sie auch nicht denen, die in den Düsseldorfer Düsseldorf-Kritikern Düsseldorf-Gegner sehen. Nein, die jetzige Düsseldorf-Kritik ist die Notwehr derer, die Düsseldorf auf der internationalen Mode-Landkarte nicht einfach weiter verblassen sehen möchten, weil sie befürchten, dass der Name sonst bald nicht mehr zu erkennen sein wird.

An die Adresse der Beschwichtiger: Sie haben Recht, in Düsseldorf findet eine Menge Mode statt. Sie haben Recht, es wäre an der internationalen und der nationalen Presse, das zu erkennen, zu würdigen, zu publizieren. Stories, Reportagen, Features zu produzieren. Nicht regional, sondern überregional. Aber vielleicht sieht sie, die internationale Presse, es nicht, vielleicht erkennt sie es nicht, vielleicht sprechen die Düsseldorfer Mode-Moderatoren die Sprache der Zwerge, und die Presse versteht nur die Sprache der Riesen?! – Das ist es, worüber in Düsseldorf nachgedacht werden muss, wenn über Düsseldorf nachgedacht wird.

Müller könnte es

Fußball-Fans singen gern, dass es nur einen Rudi Völler gibt. Mode-Kenner in Deutschland und Europa wissen, dass es nur einen Karl-Heinz Müller gibt. Der ist in Berlin und wir kriegen ihn sicher nicht nach Düsseldorf. Das wäre natürlich die beste und schnellste und vermutlich auch die erfolgversprechende Methode – Müller nach Düsseldorf holen, ihm dabei komplett freie Hand lassen, störende Bebauungsvorschriften ignorieren und Erfolg haben. Auch wenn Müller selbst ein Modesegment vertritt, das in Düsseldorf noch nie fest verankert war. Er könnte es wahrscheinlich in und mit jedem Segment.

Geht aber nicht, weil er nicht kommt. Also selbst denken – aber groß. Das Klein-Gedachte erweist sich – im Gegensatz zum Klein-Gedruckten – immer als zu unwichtig. Das wissen wir jetzt in Düsseldorf, weil wir es erfahren haben. Wir mussten es nicht denken, wir erleben es immer wieder.

Also nun endlich: THINK BIG. Nur für große Pläne lassen sich große Partner finden. Wäre Berlin als Mercedes Benz-Partner in Frage gekommen, wenn man dort  klein denken würde? Nein. NEIN. Nochmals NEIN. Hätte Müller für kleine Pläne Wowereit den Flughafen entsteißen können? NEIN. – Aber in Düsseldorf sollen kleine Ideen große Wirkung entfalten? Sie gestatten, dass ich lache.

Wer jetzt in Berlin war, hat gesehen, dass sich dort eine Szene entfaltet hat, die einen selbst tragenden Aufschwung ermöglicht. Dabei muss der sich nicht einmal selbst tragen, weil Berlin immer noch und immer weiter hilft. Das aber heißt für andere Standorte: Wenn sie ihre Geschwindigkeit nicht erhöhen und ihre Anstrengungen nicht verstärken, halten sie nicht einmal den bisherigen Abstand. Sie fallen zurück. Und zwar mit großen Schritten.  Deshalb ist es jetzt höchste Zeit, groß zu denken. Das muss weder „Design am Rhein“ noch irgend eine der Aktionen von Voices of Fashion beenden. Es ist auch keine Missachtung des Namens Eickhoff und seiner früheren Großtaten in Sachen Mode-Events. Sollte sich Eickhoff noch einmal einbinden lassen und seine internationale Fashion-Reputation in den Dienst der Stadt und des Standortes stellen – das wäre prima. Und dennoch ist es so: Die Zeiten haben sich geändert. Selbst wenn das, was früher einmal richtig war, heute noch richtig wäre, würde es nicht ausreichen. Es muss einfach noch was Richtiges drauf gepackt werden.
Think big!

* Stefano Sorice ist Unternehmensberater mit Fokus Mode und lebt in Düsseldorf

BISHERIGE BEITRÄGE ZUM THEMA:

Dagmar Haas-Pilwat und Videos, Links beim Marketing-Club

Modepate Albert Eickhoffs Meinung

Inge Hufschlag in der NRZ

Hans Wiethoff, Fashion Square, zum Thema

Mirjam Dietz, Igedo, über die Zukunft der Modestadt

Wolfgang Osinski (Düsseldorf Blog und MCD-Beirat)

Kommentare