Allein mit Tutanchamun – Düsseldorfer Fotografin Annemarie von Sarosdy dokumentiert Grabschätze des Kinder-Pharaos

März 5, 2008 by  

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Tutanchamuns Totenmaske – einzigartige Nachbildung – Fotos: Anne-Marie von Sarosdy
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Nachbildung der „Staatskarosse“ Tutanchamuns
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Figur des Schöpfergottes Ptah
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Tragschrein mit der Figur des Anubis, des Gottes der Totenriten

Vor 85 Jahren entdeckte der Archäologe Howard Carter das Grab des legendären Pharaos Tutanchamun und brachte den Grabschatz nach über 3300 Jahren ans Licht der Öffentlichkeit.

Am 8. März 2008 wird das Ägypten Tutanchamuns in Europa wieder lebendig, wenn sich die Tore für die sagenumwobene Welt des rätselhaften Kind-Gottes öffnen: Dann feiert „Tutanchamun – Sein Grab und die Schätze“ in Zürich Weltpremiere.

Die Düsseldorfer Fotografin Annemarie von Sarosdy dokumentierte die Sammlung für den Ausstellungskatalog – allein mit Tutanchamun. Für den Düsseldorf Blog schreibt sie über diese außerordentliche Erfahrung:

Als ich die Anfrage bekam, für die Weltpremiere der Tutanchamun-Ausstellung die Exponate zu fotografieren, war ich zuerst perplex. Ich fotografiere Models für Zeitschriften und Anzeigen, porträtiere also Menschen. Es macht mir Spaß, ihr Innerstes an die Oberfläche zu bringen und in einem flüchtigen Moment mit der Kamera festzuhalten. Doch nun sollte ich 3000 Jahre alten Skulpturen, Artefakten Leben einhauchen und Ihre Seele enthüllen? Nicht genug, das ich tote Gegenstände fotografieren sollte: die meisten waren zu meinem Verdruss riesengroß, viele komplett vergoldet! Selbst ein versierter Still-Life-Photograph käme da ins Schwitzen. Aber ich…?

Ich nahm den Auftrag an.

In dem Moment war mir klar, dass ich die Aufforderung zu einem großen Kampf angenommen hatte. Es galt, sich zu bewaffnen. Wie sollte ich dieser Pracht und Glorie gerecht werden? Ich versuchte mich krampfhaft an jedes Detail meiner langen Fotografen-Ausbildung zu erinnern. Hatten wir seinerzeit nicht schreckliche Dinge wie Spiegel und Weihnachtskugeln zu fotografieren gehabt? Eine schmerzhafte, lehrreiche Erfahrung, für die ich meinen Lehrern heute von Herzen danke!

Ich kam mit einem ganzen Lkw voller Geräte in die geheime Hamburger Halle, in der die einzige wertvolle Nachbildung des Grabschatzes gelagert war: Hintergründe, Kameras, Blitzlicht, Heißlicht, Stative, Flaggs, Folien, Aufheller – und natürlich war mein Team dabei. Als die Türen der Lagerhalle sich öffneten, standen wir vor 1000qm Fläche, überfüllt mit all den Schätzen des Pharao. In Licht und Schatten glänzte alles golden… mystische Augen sahen mich aus der Ferne an und ein Schakal auf einem goldenem Schrein fixierte mich prüfend. Ich war überwältigt, doch musste plötzlich unwillkürlich an den Fluch des Pharaos denken, und hoffte sehr, nicht auch nachts arbeiten zu müssen.

Die ersten Tage waren für Organisation, Set- und Lichtaufbau reserviert. Überall stapelten sich die Exponate. Die Auswahl der zu fotografierenden Objekte war schwierig. Ich hatte zwei Hintergründe malen lassen – einen in Terrakotta-Rot, einen in sandigem Goldbeige. Im Laufe der Arbeit sollte sich jedoch erweisen, dass jedes Artefakt seine eigene Farbe forderte und seine Schönheit erst vor der richtigen Farbe preisgab.

Nicht nötig zu betonen, dass die Zeit wie bei jedem Job natürlich drängte. Ich hatte kunstvoll mein ganzes Arsenal an Blitzlicht aufgebaut und war sehr stolz auf mich.

Das Ergebnis indes war schrecklich. Alles Gold und Majestätische verschwand im Blitzgewitter und hinterließ auf den Figuren große, weiße Flecken. Die erste Runde hatte ich klar verloren. Kleinlaut packte ich meine superschicke Blitzanlage ein und baute die traditionellen Heißlichtscheinwerfer auf. Dem Zeitplan hinkten wir bereits 2 Tage hinterher..

Im grellen Licht blinzelte mich der Pharao nun empört geblendet an. Wieder nichts. Erst als ich riesige Segel mit Diffusionsfolie aufbaute, entspannte sich sein Gesicht zusehends. So baute ich ein ganzes Labyrinth solcher Segel auf, dazu riesige weiße Aufhellerwände und goldene Reflektoren, denn seine zarte, goldene Haut vertrug kein direktes Sonnenlicht. Man musste höllisch aufpassen und sich in dem dichten Wald des Aufbaus vorsichtig bewegen, um nicht an eine Pappe zu stoßen, die dann den ganzen Aufbau dominoartig zusammenklappen ließ.

Allmählich schöpfte ich wieder Hoffnung. Doch trotz enormen Zeitdrucks war der Pharao immer noch nicht zur Mitarbeit bereit, schaute stattdessen stur nach vorne, weigerte sich, sein wahres Gesicht zu zeigen. Ich war der Verzweiflung nah. Was fehlte ihm nur?

Ich fing von Neuem an, vergaß mein Schulwissen, versuchte zu entspannen, den Moment zu erfühlen, das Licht zu sehen und erkannte schließlich, was er mein Gegenüber von mir wollte: einen Kascher statt eines Aufhellers für seine markanten
Gesichtszüge, eine goldene Aufhellung für die Tiefe seiner Augen, ein Streiflicht für die wertvollen Intarsien und Reliefarbeiten und dann noch ein Kicklicht, um dem Ganzen Leben einzuhauchen… jaaaaaaaaahh!
Es war mitten in der Nacht, als sein Blick endlich wohlwollend auf mir ruhte. Der Bann war gebrochen, und der Fluch des Pharao hatte sich nicht erfüllt.

Jedes einzelne Artefakt forderte unerbittlich meine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration. Dafür offenbarten sich mir in jeder Grabbeigabe das profundes Wissen und Technik, gepaart mit höchster Handwerkkunst und ästhetischer Perfektion einer vergangenen Hochkultur.

Als die Produktion schließlich zu Ende ging, erwachte ich langsam aus meinem ägyptischen Traum. Ich hatte durch die liebevolle Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Objekt und die Geschichte, die es mir leise erzählte, während ich aufmerksam zuhörte, viel erfahren über eine Hochkultur, die mehr als 3000 Jahre alt war. Sie waren der Sonne, vielleicht sogar dem ganzen Kosmos, bestimmt viel näher als wir es jetzt sind

Weitere Informationen unter: www.tut-ausstellung.com.

Kommentare

One Response to “Allein mit Tutanchamun – Düsseldorfer Fotografin Annemarie von Sarosdy dokumentiert Grabschätze des Kinder-Pharaos”

  1. Der Harenberg on Mai 20th, 2008 15:39

    ..interessante Geschichte von dem Grab des legendären Pharaos Tutanchamun, was der Archäologe, Howard Carter vor 85 Jahren entdeckte und später den Grabschatz nach über 3300 Jahren ans Licht der Öffentlichkeit brachte. Sehr informativ und Ihre faszinierenden Bilder sehr passend dazu. LG der Ado