Blick vom Schlossturm

März 21, 2006 by  

Geneigte Leserin, geneigter Leser,

ich darf mich kurz vorstellen: Mein Name ist Jakobe von Baden. Geboren wurde ich a. D. 1558, mitten in den Wirren von Reformation und Gegenreformation. Mein Vater starb früh und so wuchs ich im Kreise der Familie meiner Mutter auf. Im Alter von 27 Jahren wurde ich mit Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg verheiratet – gegen meinen Willen. Zu dieser Zeit zählte der Wunsch einer jungen Frau noch nichts und so fügte ich mich in mein Schicksal. Wohlweislich hatte man mir die Geisteskrankheit meines Ehemanns verschwiegen. Mein Alltag war bestimmt von der Krankheit meines Ehemanns, der täglich reizbarer und misstrauischer wurde. Er litt förmlich unter Verfolgungswahn. Unsere Ehe wurde aber auch durch Regierungsunfähigkeit meines Schwiegervaters belastet; er litt ebenfalls unter der Geisteskrankheit, die er an seinen Sohn vererbt hatte.

In den Anfangsjahren unserer Ehe versuchten Johann Wilhelm und ich noch gemeinsam, die Regierungsgeschäfte an uns zu ziehen, um klare Verhältnisse am Düsseldorfer Hof zu schaffen. Als sich Johann Wilhelms Geisteszustand Ende der 80er Jahre aber immer weiter verschlechterte und er für sich und andere eine Bedrohung zu werden begann, wurde er eingesperrt, das war damals so üblich. Die Methoden der modernen Medizin, die es heute gibt, waren uns noch unbekannt.

Die Düsseldorfer Räte regierten zu dieser Zeit nach eigenem Gutdünken, bis ich nach dem Tod meines Schwiegervaters im Jahr 1592 versuchte, die Regierung bei Hof und im Land zu übernehmen. Ich sah für mich erstmals die Möglichkeit mein eigenes Leben führen zu können – ohne Fremdbestimmung.

Diesem Vorhaben widersetzte sich vor allem die Verwandtschaft meines Mannes, der nach dem Tod seines Vaters die Regierungsgeschäfte offiziell übernahm, obwohl er aufgrund seiner Geisteskrankheit ebenfalls regierungsunfähig war. Allen voran versuchte seine jüngste Schwester Sybille mit übelstem Intrigenspiel mir zu schaden, das gipfelte darin, dass sie Kaiser Rudolf II. eine Klageschrift gegen mich mit Mutmaßungen und Verleumdungen überreichte. Aufgrund dieser Klageschrift nahm man mich 1595 in Untersuchungshaft. Dort blieb ich bis zu meinem gewaltsamen Tod in der Nacht vom 2. auf den 3. September 1597 – erdrosselt von meiner intriganten Schwägerin.

Seit diesem Tage wanderte ich durch das Düsseldorfer Schloss. Nach dessen Zerstörung im Jahr 1872 blieb mir nur noch der alte Schlossturm, in dem ich bis heute ausharre und auf Erlösung hoffe.

Nun sitze ich hier oben seit 1872 und glauben Sie mir, die Zeit im Schlossturm kann sehr, sehr langsam vergehen, obwohl die Aussicht von hier fantastisch ist. Abends stehe ich oft lange an einem der Fenster in der Laterne und schaue den Menschen auf dem Burgplatz und auf der Rheinpromenade zu. Wie gerne würde ich diesen Menschen meine Gedanken verraten, aber sie können mich leider nicht hören und nur wenige von ihnen können mich sehen.

Vor einiger Zeit haben nun die Leute vom Schifffahrtmuseum hier so einen Computer aufgestellt. Ich habe ihnen dabei zugesehen, wie sie ihn bedienen und vor ein paar Tagen habe ich es dann selbst einmal versucht. Nun gibt es endlich eine Möglichkeit, meine Gedanken mitzuteilen und das Geschehen in der Stadt zu kommentieren.

Es grüßt
Ihre
Jakobe von Baden

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