Euro-Gegner Professor Starbatty in Ratingen: „Entweder die ganze Sache platzt oder wir werden zur Transferunion“

November 16, 2011 by  

Statt der erwarteten 80 Zuhörer kamen 170 zum Vortrag von Professor Starbatty in Ratingen

Er ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre, Autor zahlreicher Fachbücher – und: er war von Anfang an gegen den Euro, hatte 1997 gegen die Einführung geklagt. Gestern war Prof. Joachim Starbatty (Foto unten) zu Gast bei der Mittelstandsvereinigung der CDU (MIT)  in Ratingen und leuchtete rücksichtslos grell den Hintergrund der Eurokrise aus.

Zu Beginn stand ein Scherz von MIT Ratingen-Chef Hanno Paas: „Jeder der noch Euros umtauschen will, kann jetzt nach vorne kommen, wir geben die Quote gleich bekannt“.

Am Ende dann die Bemerkung von Rechtsanwalt Wolfgang Leyendecker (Landesvorstand MIT): „Eines ist offensichtlich sicher: Alles ist unsicher“.

Dazwischen ein Feuerwerk an Fakten von dem eloquenten Tübinger Professor, der just wieder (mit Co-Autoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl-Albrecht Schachtschneider und Dieter Spethmann ein  Euro-Buch veröffentlicht hat („Das Euro-Abenteuer geht zu Ende – Wie die Währungsunion unsere Lebensgrundlage zerstört“).

Er habe „noch keine Zeit erlebt, die so spannend ist wie diese Euro-Krise“, bekannte Starbatty zu Beginn, es sei „eine Zeit, in der einem das Wort im Mund veraltet.“

Wie lang wird es den Euro noch geben? Dazu lieferte der Euro-Gegner eine Anekdote. Ein politischer Entscheider habe ihm dazu gesagt: „Die Frage ist, wie lange die Deutschen zahlen wollen„. Daraufhin habe er, Starbatty, geantwortet: „Und die andere Frage ist: Wie lange kann Frankreich zahlen.“

Starbatty brachte den Gästen der MIT im Ratinger Relexa-Hotel – full house trotz Fußballs – nur zwei gute Nachrichten. Die Italiener und Griechen hätten jetzt mit Mario Monti und Lucas Papademos zwei über alle Zweifel erhabene wirtschaftlichen Fachleute an der Spitze. Und: Die CDU habe dazu gelernt – nachdem die Rettung Griechenlands anfangs „alternativlos“ war, vertrete Merkel jetzt die Haltung, Griechenland könne durchaus austreten.

Allerdings beunruhige ihn die Merkel-Ankündigung sehr, man müsse in Europa „durchregieren“ können. Dies bedeute nicht weniger als dass das Königsrecht der Parlamente, die Verfügung über das Budget, beschnitten werden solle.

Bei der Euro-Einführung seien simple Regeln nicht beachtet worden. Auch jetzt erkläre Merkel, sie wisse das Ziel nicht, sondern gehe Schritt für Schritt vor. Starbatty: „Da sage ich, Schritt für Schritt, das können auch Schritte in den Abgrund sein, wenn man das Ziel nicht weiß“. Merkel sei sich im März letzten Jahres der Problematik bewusst gewesen, als es um Griechenland ging: „Denn es galt die No Bailout-Klausel (Verzicht auf wechselseitiges Füreinandereintreten).  Starbatty: „Als angeblich großer Wurf wurde dann der ESFF, der Rettungsschirm erfunden.“

Der Euro-Gegner bezweifelt, dass politische Kraft grundsätzliche wirtschaftliche Maximen außer Kraft setzen könne. Die bisherigen Milliarden für Griechenland seien zu 80 % an die Banken geflossen, das Staatsdefizit werde trotz kräftiger Sparmaßnahmen erheblich steigen. Starbatty: „Wo ist denn das Geschäftsmodell für Griechenland?“  Eine Rückkehr zur Drachme sei vernünftig, vielleicht auch zunächst als Parallelwährung. Starbatty: „Da kann man sich vieles vorstellen, aber so geht es nicht weiter: Griechenland ist pleite, Griechenlands Banken sind pleite. Jetzt bleiben auch noch die Touristen weg, weil sie der Lage nicht trauen.“

Für die spanische Immobilienblase nannte er das konkrete Beispiel eines Mannes, der sich 2006 für 270.000 Euro eine Zwei-Zimmer-Wohnung (!) gekauft habe. Die Wohnung habe er mittlerweile verkaufen müssen – für 135.000 Euro. Starbatty: „Kein Einzelfall.“ Die Immobilienpreise seien in Spanien in der letzten Dekade um 400 Prozent gestiegen, jetzt stünden an den Küsten die Häuser leer – und nicht nur dort.

Italien habe vor der Euro-Einführung  einen Anteil von 6,8 % am Welthandel gehabt, jetzt liege er gerade mal bei  2,8 %.

Auch die anvisierten 1,25 Billionen Euro würden für die Rettung der finanziell maroden südeuropäischen Staaten nicht reichen. Starbatty: „Entweder die ganze Sache platzt oder wir werden zur Transferunion.“

Vor dem Euro-Beitritt hätten die Südeuropäer ihre Konkurrenzfähigkeit durch Abwertung erhalten. Dann seien sie massiv in den Euro gedrängt,  „doch statt mit geringen Zinsen zu sanieren haben sie ein Fass aufgemacht und gefeiert.“

Der Professor zum grundsätzlichen Unterschied zwischen Deutschland und den Südstaaten: „Wir haben Exportüberschusse, die nicht.“

Merkel sei das wohl bewußt gewesen. Bei einer Regierungserklärung am 17. März letzten Jahres habe sie erklärt, Schäuble habe den Vorschlag gemacht, auch Länder aus dem Euro rauszuschmeißen. Starbatty: „Danach haben im Kanzleramt die Telefone geschrillt“. Daraufhin sei die Regierung umgeschwenkt. In der ersten Maiwoche sei die Griechenland-Hilfe durch den Bundestag gegangen. Starbatty: „750 Millionen Euro Rettungsschirm – über Nacht! Und es gibt nicht einmal ein belastbares Protokoll darüber!“

Sarkozy, Trichet und Strauss Kahn hätten der Kanzlerin wohl die Pistole auf die Brust gesetzt, nach dem Motto: „Die Welt bricht zusammen und Sie wollen Ihre Experten erst fragen?“

Ihn wundere, dass die SPD zu dem Thema schweige.

Auch der so genannte „Hebel“ werde den Euro so nicht retten können. Der Eurogegner: „Das ist doch nicht mehr als eine Teilkaskoversicherung. Was wir brauchen ist eine wirkliche Lösung. Und die EZB ist die Lösung“. Sie sei nicht dazu da, Griechenland zu retten sondern das Geld der Bürger. Griechenland habe bereits 18 Insolvenzen hinter sich. Und einen Dominoeffekt, der herbeigeredet werde, könne es „nur bei kranken Ländern geben – und bei denen lieber jetzt gleich als später. Brandherde können Funken springen lassen.“

„Dass wir mehr Europe brauchen, ist Unsinn“, sagte Starbatty auch mit Hinweis auf Ex-Außenminister Joschka Fischer. Starbatty: „Am Krankenbett braucht man Anamnese, Diagnose und die richtige Therapie. Was können wir denn tun, wenn Italien und Spanien ihre Anleihen nicht mehr finanzieren können? Ein Stoßgebet zum Himmel schicken!“

Auch die deutschen Staatsschulden sprach der Tübinger Volkswirtschaftler an. Der Hinweis darauf, dass Bundesschätze derzeit bei zwei Jahren Laufzeit nur 0,25 % Zinsen bringen, sei deutlich genug.

Starbatty gab keine präferierte Lösung aus der Krise zu erkennen. Nur soviel: „Ein Austritt  aus dem Euro ist gangbar. Besser: Wir müssen die Franzosen anspitzen, dass sie rausgehen.“

Unter den rund 170 Teilnehmern des Abends gesichtet: Reiner Götzen (Interboden), die Notare Dr. Jens Bormann und Dr. Thomas Knoche, Theo Leuchten, Aufsichtsratsvorsitzender der Volksbank Neuss-Düsseldorf und Vorstandsvorsitzender Rainer Mellis (sponserten), Dr. Thomas Köster, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer Düsseldorf und Norbert Dr. Hüsson, Vorstandsvorsitzender Förderverein „Regenbogenland“und Sachverständiger (Maler/Lackierer).

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