Altkanzler Helmut Schmidt: „Brechreiz“ bei RAF-Debatte

Juni 5, 2007 by  

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Klartext vom Kanzler – Foto: BILD, Daniel Biskup 

Zweiter Teil des großen BILD-Interviews mit Altkanzler Helmut Schmidt. Erfrischender Klartext eines Intellektuellen ohne Wahrnehmungsdefizite.

 Auszüge:

BILD: Herr Bundeskanzler, kaum ein Thema hat die Deutschen in diesem Jahr emotional so bewegt wie der Streit um die Freilassung der letzten RAF-Gefangenen. Was haben Sie empfunden bei der Debatte?

SCHMIDT: Brechreiz!

BILD: Beim Gnadengesuch des RAF-Terroristen Christian Klar haben Sie Bundespräsident Köhler offenbar nicht öffentlich hineinreden wollen.

SCHMIDT: Einspruch! Ich habe mich nicht nur öffentlich zurückgehalten. Ich habe mich jeder Äußerung total verweigert, auch gegenüber Präsident Köhler.

BILD: Nun hat der Bundespräsident entschieden: Klar bleibt in Haft. Wie haben Sie Köhlers Entscheidung aufgenommen?

SCHMIDT: Mit Respekt.

BILD: Terroristen wie Susanne Albrecht oder Brigitte Mohnhaupt möchten heute nicht mehr Terroristen oder Mörder genannt werden, wollen sogar ihre damaligen Fahndungsfotos verbieten lassen – wie soll sich Presse verhalten?

SCHMIDT: Ich will es so sagen: Es ist etwas mehr als 2000 Jahre her, dass einige Leute gemeinsam Cäsar ermordet haben. Einer von ihnen war Brutus, der gilt heute noch als Mörder. Ich würde mich sehr wundern, wenn wir plötzlich eine Bürgerinitiative kriegten, den Brutus nicht mehr Mörder zu nennen, sondern nur noch Krankenpfleger oder so.

BILD: Nach 24 Jahren Haft wurde die neunfache Mörderin Brigitte Mohnhaupt – rechtsstaatlich einwandfrei – auf freien Fuß gesetzt. Verstehen Sie die Verbitterung der Opfer und ihrer Angehörigen?

SCHMIDT: Das kann ich sehr wohl nachvollziehen. Ich habe Lorenz gut gekannt, ich habe Hanns-Martin Schleyer sehr gut gekannt, er war viele Male mein Abendbrots-Gast. Meine Frau und ich waren befreundet mit Ponto, eines der Ponto-Kinder war in der Klasse meiner Frau, sie war ja Lehrerin. Auch Alfred Herrhausen kannte ich persönlich gut.

Von den anderen Opfern, den Namenlosen, den Kraftfahrern, den Polizeibeamten, die einfach so nebenher mit erschossen oder umgebracht wurden, von denen wird ja bis heute kaum geredet. Das finde ich skandalös. Es hat mich innerlich sehr empört, dass von denen nicht geschrieben und geredet wird. Das tat mir wirklich in der Seele weh.

Volltext des Interviews HIER.

Kommentare

One Response to “Altkanzler Helmut Schmidt: „Brechreiz“ bei RAF-Debatte”

  1. G6 im französischen Rambouillet - Finger.Zeig.net on Juni 8th, 2007 22:54

    […] Damals war Helmut Schmidt noch Bundeskanzler oder besser gesagt gerade Bundeskanzler geworden (1974). Wenn er heute danach gefragt würde, welche Empfindungen er habe, wenn er höre, dass dieser Zirkus heute 100 Mio Euro teuer wäre, könnte es ja vielleicht sein, dass er die gleiche knappe Antwort, wie in dem Bild-Interview geben würde, als man von ihm wissen wollte, was er empfunden habe, als er die Debatte um die Freilassung der letzten RAF-Terroristen verfolgt habe. […]