Helmut Markwort im Focus über Jürgen Rüttgers‘ Kommentar zum „No“ der Iren zum Lissabon-Vertrag

Juni 16, 2008 by  

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Ärgert sich über irisches No: Jürgen Rüttgers

Die Niederlande und Frankreich hatten die EU-Verfassung vor drei Jahren zu Fall gebracht. Jetzt haben die Iren, ein bekanntlich sehr eigenwilliges Völkchen, das Nachfolgepapier, den so genannten „Lissabonner Vertrag“ gestoppt. Bedingung für das Inkrafttreten des Vertrages, der Brüssel erheblichen Machtzuwachs beschert und Parlamente und Organe in den Mitgliedsstaaten schwächt, ist allerdings, dass alle 27 EU-Mitglieder Ja sagen. Nun hat Irland Nein gesagt, womit Lissabon eigentlich mausetot wäre.

Doch Fans des EU-Reformvertrages, der Europa zu einem bürokratischen Superstaat machen würde, suchen schon nach Auswegen und Argumenten, den Vertrag dennoch in Rechtsform zu gießen. Focus-Herausgeber und -Chefredakteur Helmut Markwort kommentiert heute in seinem Magazin, wie Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Jürgen Trittin die Dinge sehen – genau gleich:

„Rüttgers rechnet so: ’99 Prozent der Europäer können ihre Zukunft nicht davon abhängig machen, dass weniger als ein Prozent einen Fortschritt blockieren.‘ Trittin griff zu absoluten Zahlen: Es sei fragwürdig, dass drei Millionen Menschen entscheiden können, wie 500 Millionen ihre politische Zusammenarbeit gestalten. Rüttgers und Trittin unterschlagen einfach die Tatsache, dass – nach ihrem Beispiel – 99 Prozent oder 497 Millionen der Europäer gar nicht gefragt wurden.“ Die Deutschen, das größte europäische Volk, durften überhaupt nicht abstimmen, und bei unseren Nachbarn wurde die Volksabstimmung abgewürgt, weil die Regierungen ein falsches Ergebnis befürchteten.“

Markwort ist ein konsequenter Liberaler und ihm kann es nicht gefallen, dass in einer so wichtigen Angelegenheit die Menschen in den betroffenen Ländern nicht entscheiden dürfen.

Auch bei uns liegt der Vertrag noch auf Eis. Denn das Bundesverfassungsgericht muß erst über eine Klage von MdB Peter Gauweiler (CSU) entscheiden. Vorher wird Bundespräsident Horst Köhler nicht unterschreiben.

Derweil vergleicht der frühere sowjetische Regimekritiker Wladimir Bukowski Europa mit der zerfallenen Sowjetunion. In einem Interview mit dem Brussels Journal sagt Bukowski: „Ich denke, dass die Europäische Union, genau wie die Sowjetunion, nicht demokratisiert werden kann. Gorbatschow versuchte, das Land zu demokratisieren und es flog auseinander. Diese Art von Strukturen kann man nicht demokratisieren.“

Der französische Philosoph André Glucksmann sieht (im aktuellen Focus-Interview) die EU „in einem Zustand der Dekadenz“. Es reiche nicht, die europäischen Institutionen auszubauen, man müsse auch wissen, welche gemeinsamen Ziele verfolgt werden.

Lissabon-Vertrag: MdB Peter Gauweiler klagt beim Bundesverfassungsgericht

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