Islamische Ahmadiyya-Gemeinde will trotz reaktionären Frauenbildes als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden
November 18, 2019 by osi
Die Islam-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall (Foto) über das Frauenbild der islamischen Ahmadiyya-Gemeinde und ihre Bemühungen um Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts:
Wegen Broschüren mit frauenfeindlichen Inhalten geriet eine Ausstellung der Ahmadiyya-Gemeinde 2017 im Düsseldorfer Rathaus zum Skandal. Auch der Düsseldorfer SPD-OB Thomas Geisel, der die Ausstellung gestattet hatte, distanzierte sich daraufhin von dem „vielleicht sogar reaktionären Familien- und Frauenbild“ der Gemeinde. Bei einer am Freitag in der Mönchengladbacher Citykirche eröffneten Ausstellung wurden die Broschüren mit den frauenfeindlichen Inhalten jedoch erneut ausgelegt.
Im Februar 2017 sorgte eine Ausstellung der Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde (AMJ) im Düsseldorfer Rathaus für Schlagzeilen und politische Diskussionen. Die Ausstellung unter dem Motto „Eine Reise durch die islamische Zeit“ geriet zum Skandal, nachdem der Düsseldorfer Anzeiger sowie die Rheinische Post berichtet hatten, dass dort auch Werbematerial mit frauenfeindlichen Inhalten angeboten wurde.
Konkret ging es um die Broschüren „Die Rechte und Pflichten einer Frau im Islam“, „Die islamische Ehe“ oder „Warum trägt die Muslima Schleier oder Kopftuch?“. In diesen Broschüren war unter anderem zu lesen, dass Frauen nicht ohne Einverständnis des Mannes arbeiten gehen sollten. Auch war darin zu lesen, dass eine muslimische Frau Schleier oder Kopftuch trage, um sich vor anderen Männern zu schützen. „Sie verdeutlich damit, dass sie für den Mann auf der Straße nicht Objekt seiner Begierde sein will und er nicht über sie verfügen kann“, hieß es dazu wörtlich.
Auch sollten Frauen, im Gegensatz zu Männern, die mit bis zu vier Frauen gleichzeitig verheiratet sein können, nur einen Mann haben, weil es eine „extreme Belastung“ für die Frau wäre, wenn diese „fortwährend von verschiedenen Männern schwanger würde“. Darstellungen, nach denen es die Pflicht der Frau sei, ihrem Ehemann zu „gehorchen“ und sie nicht gegen ihn „opponieren“ dürfe, waren in den Broschüren ebenfalls zu finden.
SPD-OB spricht von „reaktionärem und fundamentalistischem Frauenbild“
„Ein Frauenbild, das – wie in den angegebenen Textstellen deutlich wird – nicht auf völliger Gleichberechtigung beruht, können wir als Mehrheitsgesellschaft nicht akzeptieren“, kritisierte der Düsseldorfer CDU-Fraktionsvorsitzende Rüdiger Gutt.
Sylvia Pantel, Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Düsseldorfer Frauen Union (FU), ging noch einen Schritt weiter und sprach davon, dass das Frauenbild der AMJ gegen die im Grundgesetz verbriefte Gleichberechtigung von Frau und Mann verstoße. Auch der Düsseldorfer SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel, der die Ausstellung im Rathaus gestattet hatte, distanzierte sich nach Kenntnisnahme der Broschüren von dem „vielleicht sogar reaktionären Familien- und Frauenbild“ der Ahmadiyya-Gemeinde.
„Außer- und vorehelicher sexueller Kontakt strikt untersagt“
Die Gemeinde aber verteidigte die Broschüren: „Der Islam als Religion fordert seit jeher die bedingungslose Gleichwertigkeit von Mann und Frau in einer Art und Weise, wie keine andere Religion es forderte“, schrieb Mohammad Dawood Majoka, Pressesprecher der AMJ, in einem offenen Brief an Rüdiger Gutt. „Die aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate beziehen sich auf fein austarierte, moralische Grenzen in Bezug auf Keuschheit und Scham, die für beide Geschlechter gleichermaßen gelten, sodass wir die Kritik in der einseitigen Lesart zurückweisen.“
Gemeinde will auch in NRW als Körperschaft anerkannt werden
In Hessen wurde die umstrittene Ahmadiyya-Gemeinde bereits 2013 als Körperschaft des Öffentlichen Rechts (KdÖR) anerkannt, im darauffolgenden Jahr auch in Hamburg. Mit diesem Status ist die laut ihrer Satzung einem derzeit in London lebenden Kalifen unterstehende Ahmadiyya-Gemeinde christlichen Kirchen rechtlich gleichgestellt.
Das Jahrestreffen der Gemeinde im Juli in Karlsruhe geriet in die Schlagzeilen, weil der Ahmadiyya-Imam Iftekhar Ahmed in seiner Rede davon gesprochen hatte, dass die Konzepte der liberalen Moderne nicht mit dem Islam in Einklang zu bringen seien. Der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi bezeichnete das als Kampfansage gegen Aufklärung, Moderne und die westlichen Werte. „Überspitzt kann man sagen: Das ist die Theorie des IS, nur dass der IS Gewalt anwendet“, sagte Ourghi in der WELT. Dass die Ahmadiyya-Gemeinde in Deutschland Ansprechpartner öffentlicher Einrichtungen sei, bezeichnete er als „Skandal“.
Im Januar dieses Jahres beantragte die AMJ, auch in Nordrhein-Westfalen als KdÖR anerkannt zu werden. Für die Entscheidung darüber ist die Staatskanzlei in Düsseldorf zuständig. Wie diese vorletzte Woche auf Nachfrage mitgeteilt hat, ist über diesen Antrag „auch weiterhin nicht entschieden“.
Broschüren auch in Mönchengladbach ausgelegt
Offenbar hat sich am Frauenbild der Ahmadiyya-Gemeinde nichts geändert, denn bei der Eröffnung der bis zum 22. November dauernden Ausstellung „Eine Reise durch die islamische Zeit“ in der Mönchengladbacher Citykirche wurden die Broschüren „Die Rechte und Pflichten einer Frau im Islam“, „Die islamische Ehe“ oder „Warum trägt die Muslima Schleier oder Kopftuch?“ erneut ausgelegt.
Um die Auseinandersetzungen um das Frauenbild dieser Gemeinde zu verstehen, muss man wissen, dass die Gleichwertigkeit von Frau und Mann, von der die Ahmadiyya-Gemeinde immer spricht, auf das Jenseits bezogen ist. Gleichberechtigung im Diesseits, also das, was wir unter Gleichberechtigung von Frau und Mann verstehen, ist damit nicht gemeint.
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