Prof. Alfons Labisch über das Corona Virus – Ex-Unirektor lobt China und sagt, was sich dort ändern muss

Februar 7, 2020 by  

Lehrt im März wieder in Peking: Prof. Alfons Labisch – Foto: Düsseldorf Blog

Prof. Alfons Labisch, Dr.med, Dr. phil., Ex-Rektor der Universität Düsseldorf und durch seine Lehrtätigkeit an der Beijing Foreign Studies University VR China ein ausgezeichneter China-Kenner, hat mir seinen „Zwischenruf“ zum Thema Corona-Virus zukommen lassen.

(Zur Ergänzung: Der Beitrag wurde am 5.2. verfasst, die aktuelle Zahl der Todesopfer beträgt Stand 7.2., 14 Uhr 638)

„Nachdem die neue 2019-nCoV-Viruserkrankung am 31. Dezember in Wuhan gemeldet worden war, waren Mitte Januar 2020 viele Menschen skeptisch, ob es China gelingen würde, mit der sich rasch ausbreitenden Epidemie fertig zu werden.

Die chinesische Regierung entschloss sich am 23.01.2020, den Großraum Wuhan sowie zahlreiche weitere öffentliche Einrichtungen in China – so etwa die Touristenattraktionen in und um Bejing – zu sperren. Damit waren Millionen von Menschen und große Areale dieses riesigen Landes unter Quarantäne gestellt: ein in der Medizingeschichte in dieser Größenordnung einmaliges Vorgehen.

Aus damaliger Sicht sahen diese Maßnahmen für viele Menschen außerhalb Chinas übertrieben aus. Ich gehörte durchaus zu diesen Skeptikern.

Warum waren diese drastischen Maßnahmen in der Rückschau gerechtfertigt? Warum habe ich meine Meinung inzwischen geändert?

Infektiologisch gesehen war seinerzeit noch nicht eindeutig, mit welcher Sterblichkeit bei diesem neuen Virus zu rechnen war (H5N1-Vogelgrippe 1997: über 50%; SARS 2002/03: annähernd 10%; H1N1 2009/10: ca. 0,1-5,1%; H7N9-Vogelgrippe 2013ff. – bis zu 40%). Die Sterblichkeit bei 2019-nCoV liegt bei etwa 2% – und beträgt damit etwa die Hälfte der Exzess-Sterblichkeit von 4% bei „normaler“ Grippe.

Seuchenhygienisch-prophylaktisch stand mit dem Chinesischen Neujahrsfest die größte Reisewelle an, die es auf der Welt gibt. In diesen 14 Tagen des bedeutendsten chinesischen Jahresfestes wird mit geschätzten acht Milliarden Auto- / Zugfahrten und Flügen gerechnet. Viele der Zug- und Flugreisen werden über die Drehscheibe Wuhan im Zentrum Chinas abgewickelt. Hatte die an sich bereits späte Quarantäne für die erste Ausbreitung des Virus gesorgt, so hätte eine übliche Neujahrs-Reisewelle das ideale Feld bedeutet, das Virus in ganz China und weit darüber hinaus im Fernen Osten zu verbreiten.

Wie sieht es heute, am 5. Februar 2020, aus: Nach dem recht validen Zahlenspiegel der Johns Hopkins University in Baltimore

https://gisanddata.maps.arcgis.com/…/opsdashboa…/index.html…

(letzter Zugriff: 05.02.2020:16.30h) sind

24.608 Menschen erkrankt, davon 24.392 in Mainland-China  99,1%),
494 Menschen gestorben, davon 492 in Mainland-China  99,6%), davon die meisten deutlich älter und vorerkrankt,
1.028 Infizierte sind genesen, davon 1.021 in Mainland-China  99,3%).

Das bedeutet nichts anderes, als daß es China gelungen ist, die Epidemie auf China zu begrenzen: es handelt sich also nicht um eine Pan-Demie, also eine weltumspannende Infektionskrankheit, sondern um eine im Wesentlichen auf China begrenzte Epidemie.

Die hoch entwickelten Industrieländer haben genügende Infrastruktur und seuchenhygienische Erfahrung, um das 2019-nCoV mit den klassischen Surveillance- und Containment-Strategien der öffentlichen Gesundheitssicherung in Schach zu halten. Es bleibt zu wünschen, daß dies auch den weniger entwickelten Ländern gelingt.

Die Welt sollte China dankbar sein.

Aber ist es in China damit getan? Mitnichten! Gleich ob die Viren nun vom Huanan-Fischmarkt stammen oder nicht: Wer im Fernsehen einen kleinen, wohl zufälligen Blick in die Zustände in diesem Markt werfen konnte, wird sich mit Grausen abgewendet haben. Die China-Bewanderten kennen derartige Bilder aus vielen anderen Märkten, die China-Touristen mögen dies alles ggf. als pittoresk und zur Folklore gehörig finden. Mit einer auch nur entfernt gesundheitlichen oder lebensmittelhygienischen Bereitung und einem hygienischen Verkauf von Lebensmitteln, insbesondere von Fleisch und Fisch, hat dies alles nichts zu tun. Da die Vorstellung, Lebensmittel samt Fleisch und Fisch möglichst frisch zu erwerben, tief in der chinesischen Kultur verwurzelt ist, dürfe es wohl eine Kraftanstrengung besonderer Art sein, sowohl die Produktion als auch die Zubereitung und den Verkauf von Lebensmitteln sicher und hygienisch einwandfrei zu gestalten.

Erst dann kann sich China einigermaßen sicher sein, nicht weiterhin die Quelle für weltweit bedrohliche neue Seuchen zu sein.“

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