Viel ist nicht immer mehr – Premiere von Massenets „Hérodiade“ in der Rheinoper

Juni 2, 2023 by  

Mehr ist mehr? Im Falle von Lorenzo Fioronis Inszenierung der Oper „Hérodiade“ von Jules Massenet an der Rheinoper eher nicht. Von der mit Videofilm (Christian Weissenberger) übertünchten Ouvertüre über Wüstenauftritte fein gekleideter (Chor-)Gesellschaft, dilettierenden orientalischen Tänzerinnen bis hin zum Theater auf dem Theater und Todeszelle hat der Regisseur alles reingepackt, was zur (Bühnen-)Szene des 19. Jahrhunderts gehören könnte. (Bühne: Paul Zoller, Kostüme: Katharina Gault)

Massenets Grand Opéra trägt daran keine Schuld. Herrliche, von den Düsseldorfer Symphonikern unter Sébastien Rouland schwelgerisch ausgespielte Melodien, mitreißende Chorszenen (Chöre: Gerhard Michalski) und bestens aufgelegte, stimmstarke Solisten – allesamt würdige Vertreter der französischen Hochromantik, denen das Publikum mit Jubel dankt.

Nicht jedoch Regisseur Fioroni. Lautstarke Buhs ertönen, die beim Schlussapplaus jedoch von lautstärkeren Anhängern des Regiekonzepts und/oder des Regisseurs übertönt werden.

Ob der vielleicht dem archaischen Salome-Stoff misstraut hat? Müßig an Richard Strauss’ gefeierte Oper „Salome“ nach Oscar Wilde zu erinnern. Massenet hat sich von Gustave Flauberts Novelle „Herodias“ inspirieren lassen, die Salomes Mutter als zentrale Figur thematisiert.

Regisseur Fioroni setzt trotz Massenets unmissverständlichen Titels statt Herodias eher deren Ehemann Herodes in Szene. Und das gleich doppelt: Bogdan Baciu, sängerisch wie optisch ein Hérode vom Feinsten, wird unterstützt von einem Schauspieler als Alter Ego des Herrschers auf der Bühne. Notwendig dagegen war Salomé  als stumme Schauspielerin auf der Bühne in Gestalt von  Regie-Assistentin Lotte Zuther. Sie gibt Luiza Fatyol ausdrucksstarke Optik, die die Sopranistin wegen eines Unfalls mit Armbruch als Folge nicht leisten konnte. So singt sie mit Bravour ihre Partie von der Seite, gekrönt von entsprechendem Beifall des Publikums.

Schade um die ausgezeichnete Ramona Zaharia, die der Titelheldin Hérodiade durchschlagkräftige Stimme und Bühnenpräsenz verleiht. Ihr hätte man mehr Interesse des Regisseurs gewünscht.

Fioroni erklärt im Programmheft sein Regiekonzept als Eklektizismus, das Zusammenführen also diverser Stile und Zeitalter. Das passt zu seiner Deutung der Grand Opéra im Programmheft als „große Unterhaltungmaschinerie“. Ob er damit auch die „grand opéra“ der Bourgeoisie treffen will, die als Antwort auf die Oper der entmachteten Aristokratie nach der französischen Revolution gilt und entsprechend kritisiert und persifliert wurde? Letzteres beispielsweise von Jacques Offenbach in „Orpheus in der Unterwelt“ – übrigens im Oktober wieder auf dem Spielplan des Düsseldorfer Opernhauses.

Diese „Unterhaltungsmaschinerie“ verheddert sich leider oft in Fioronis Lesart, stiftet durch den Bilderrausch Verwirrung und manchmal auch Langeweile. So beispielsweise in der Todeszelle des Jean, wie Johannes der Täufer bei Massenet heißt und mit lyrisch-dramatischem Aplomb von Sébastien Guèze gesungen wird. Da kann auch die Musik kaum mehr über den langwierigen Aufbau der Hinrichtungszelle hinwegtrösten.

Ein Fest der Stimmen und Massenets Musik also und weniger des Bilderrauschs. Viel ist eben nicht immer mehr.

Weitere Vorstellungen: 4.6., 8.6., 18.6. 23.6, 25.6.

Gisela Rudolph

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