„Ruß“ – die Geschichte von Aschenputtel im Ruhrpott
Mai 13, 2025 by osi
Emilia Peredo Aguirre (Clara) und Francesca Berruto (Livia) Foto: Ingo Schaefer
Jeder kennt es, die meisten lieben es. Das Märchen vom Aschenputtel, das vom Keller in Palasthöhen aufstieg, seinen Prinzen durch einen verlorenen Schuh fand, und wenn es nicht gestorben ist, heute noch lebt.
Rheinopern-Chefchoreographin Bridget Breiner hat den unzähligen Versionen vom Märchen der Gebrüder Grimm eine weitere hinzugefügt: „Ruß – eine Geschichte von Aschenputtel“ heißt das Erzähl-Ballett jetzt und spielt im Ruhrpott. Die Witwe (Norma Magalhães), die einen Ernährer für sich und ihre Töchter Sophia (Ako Sago) und Livia (Francesca Berruito) sucht, findet ihn in Gestalt eines Kohlebergarbeiters (Nelson López Garlo), der wiederum seine Tochter Clara (Emilia Peredo Aguirre) mit in die Ehe bringt.
Der Märchenkönig wird zum Industriebaron, sein Sohn trägt immerhin den klingenden Namen J. D. Prince (Olgert Collaku). Nicht eliminiert ist der Schuh, den Aschenputtel Clara auf dem Ball des Industriebarons verliert und natürlich das Herz von Prince gewinnt.
Breiners Idee ist bestechend
Bei der Duisburger Premiere im Dezember schon feierte Bridget Breiners Lesart Erfolg, der sich jetzt bei der Düsseldorfer Premiere wiederholte. Damit hat sich Breiners Aschenputtel im Rheinopern-Spielplan etabliert und wird bestimmt in der kommenden Spielzeit wieder aufgenommen (Termine unter www.operamrhein.de).
Breiners Idee ist bestechend: Nicht die süße, charmante Clara steht im Mittelpunkt, sondern eine der Stiefschwestern, die nachdenkliche Livia. Wohltuend, dass die Gleichsetzung von hässlich und böse aufgehoben wird. Denn erstens ist Livia ein wohlgestaltetes hübsches Mädchen, zweitens ist sie nicht böse, sondern traurig, dass sich der oberflächliche Prince nach verheißungsvollem Kennenlernen gleich von ihr ab- und Clara zuwendet. Wohltuend auch, dass Breiner keineswegs auf den Augenschmaus klassischer Ballettkunst verzichtet, sondern diese angenehm mit einer moderneren choreografischen Sprache verbindet. Titelgerecht werden gerade die Ensembles mit einem Ruß verschmierten Corps de Ballet gezeigt, statt Tütü gibt’s Leinen- und Baumwollkleider. Zum Ball der Industriebarone darf Clara dann ein Prinzessinnenkleid aus Tüll tragen.
Selbst ist die Frau
Und Livia? Zum Blutbad durch ein Messer, um den Fuß passend für den gefundenen zierlichen Schuh zu machen, kommt es nicht. Livia besinnt sich und steht entschlossen auf der Bühne: Selbst ist die Frau!
Solisten und Ensemble sind sehr gut aufgehoben in dieser Choreografie und können ihren gut nivellierten Standard in Solo, Pas de Deux und Corps-Szenen zeigen. Musikalisch begleitet werden sie teils live, teils vom Band von Straußwalzer-Klängen über Songs bis hin zum Akkordeonspieler Marko Kassl auf der Bühne.
Viel Jubel und Applaus für alle Akteure, einschließlich Choreografin Bridget Breiner.
Wie es weiter geht mit dieser Kohlenpott-Geschichte von Aschenputtel? Nun, man muss sich keine Sorgen machen. Um Livia schon gar nicht. Höchstens um Clara. Denn ob Traummann Prince in Liebesdingen eventuell wankelmütig ist, scheint nicht ausgeschlossen.
Gisela Rudolph
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